Datengetriebenes Flotten-Risikomanagement, steigende Versicherungskosten und smarte Einsparpotenziale – in dieser Folge von Finance & Data zeigt Stefano Cicciarella (SynsureTech), wie Fuhrparks vorhandene Daten nutzen können, um Risiken sichtbar zu machen und Kosten im Schaden- und Versicherungsmanagement zu senken. Mit Fokus auf Verhandlungsstärke gegenüber Versicherern, Quick Wins durch Minimaldaten und dem modularen DRIVE-Programm als Brücke zwischen Software, Beratung und ROI.
Über 30 Jahre Erfahrung bei Volvo Financial Services, Allianz und Daimler Financial Services – und heute Gründer von SynsureTech: Stefano Cicciarella kennt die Versicherungsbranche aus dem Effeff. Mit seinem Unternehmen verfolgt er ein klares Ziel: Daten und Versicherung intelligent zu verbinden, um Flottenrisiken messbar zu reduzieren. Gemeinsam mit Novemcore hat er das Programm DRIVE entwickelt – eine modulare Lösung aus Software und Beratung, die Flotten innerhalb weniger Tage Transparenz über Risiken verschafft und Kosten in Schadenmanagement und Versicherung nachhaltig senkt.
Im Gespräch mit Julian Molitor erklärt er, warum gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für datengetriebenes Flottenmanagement ist, welche Rolle Kennzahlen spielen und wie Unternehmen ihre Verhandlungsposition gegenüber Versicherern stärken können.
Interview
Julian Molitor: Herr Cicciarella, warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für datenbasiertes Flotten-Risikomanagement?
Stefano Cicciarella: Eigentlich wäre der beste Zeitpunkt schon gestern gewesen. In den letzten zehn Jahren sind die Versicherungsprämien für Flotten in Deutschland um rund 80 % gestiegen. Wer diesen Trend stoppen will, muss heute anfangen, gegenzusteuern.
Julian Molitor: Woran liegt es, dass die Prämien so stark gestiegen sind? Und welche Daten brauche ich, um gegenzusteuern?
Stefano Cicciarella: Hauptsächlich daran, dass die Branche noch in Silos arbeitet. Versicherer wollen ihr Portfolio profitabel gestalten und erhöhen notfalls die Prämien. Auf Flottenseite wird das Thema Versicherung oft nicht strategisch betrachtet. Viele Unternehmen bereiten sich nur kurzfristig auf die Vertragsverlängerung vor und haben die relevanten Daten nicht parat. Dabei sind sie vorhanden – aber verstreut und nicht verknüpft.
Julian Molitor: Welche Daten sind das konkret?
Stefano Cicciarella: Die Basis bildet der Schadenverlauf, also die Daten vom Versicherer. Ergänzend gibt es detaillierte Schadenslisten, die dem Flottenmanager vorliegen. Dazu kommen Fahrzeugprofile oder Einsatzdaten. All diese Informationen existieren – aber selten werden sie intelligent zusammengeführt.
Julian Molitor: Und wie kann man damit eine Risikoeinschätzung, also einen Risiko-Snapshot, erstellen?
Stefano Cicciarella: Versicherer arbeiten mit sehr groben Schadenquoten, vielleicht unterschieden nach Pkw, Transportern und Lkw. Ein Risiko-Snapshot geht tiefer: Man berücksichtigt etwa Selbstbehalte – wie viel die Flotte selbst trägt –, analysiert Schadenarten wie Parkschäden oder Unfälle und erkennt Trends: Steigen die Vorfälle innerstädtisch oder eher auf der Autobahn? Solche Details nutzt der Versicherer meist nicht – die Flotte aber sehr wohl.
Julian Molitor: Ziel ist es also, alle Daten aufzubereiten, sich einen Überblick zu verschaffen und vorbereitet in die Gespräche mit Versicherern zu gehen.
Stefano Cicciarella: Genau. Ein unsortierter Datenberg reicht nicht. Man muss Transparenz schaffen, Erkenntnisse gewinnen und diese aktiv managen. Nur so überzeugt man Versicherer, dass man das Risiko im Griff hat.
Julian Molitor: Ich vermute, ein Versicherer will auch Ergebnisse sehen – etwa sinkende Schadenquoten. Über welchen Zeitraum muss man denken?
Stefano Cicciarella: Ich sehe das zweistufig. Kurzfristig, zum nächsten Verlängerungstermin, kann man mit einem Risiko-Snapshot bereits zeigen, dass man sich strukturiert vorbereitet hat. Das verhindert oft schon eine Prämienerhöhung. Langfristig, im Folgejahr, lassen sich dann klare Verbesserungen nachweisen – weniger Schäden, geringere Kosten durch Fahrercoaching, sinkende Spritkosten. So entsteht ein messbarer Return on Investment.
Julian Molitor: Ab welcher Flottengröße lohnt sich Telematik?
Stefano Cicciarella: Ab etwa 50 Fahrzeugen, realistischerweise ab 100. Wichtig ist, Telematik gezielt einzusetzen – nicht, um alle denkbaren Daten zu sammeln, sondern um konkrete Erkenntnisse zu gewinnen. Oft reicht schon eine App, die Schadensmeldungen vereinfacht, bevor man in komplexe Echtzeitlösungen investiert.
Julian Molitor: Solche Apps können auch Fahrverhalten messen – Beschleunigung, Bremsen, Geschwindigkeit. Kommen wir zum Thema Schadenmeldung: Wie sieht ein guter FNOL-Prozess, also die Erstmeldung eines Schadens, aus?
Stefano Cicciarella: Grundregel: Je schneller die Meldung, desto günstiger der Schaden. Ein ordentlicher FNOL-Prozess senkt die Kosten im Schnitt um rund 10 %. Verzögerte Meldungen führen zu längeren Werkstattzeiten, unklaren Folgeschäden und steigenden Rechnungen. Deshalb: Schäden sofort melden – am besten per App mit Fotos und Standortdaten.
Julian Molitor: Ein weiterer Baustein ist Fahrercoaching. Was verstehen Sie darunter?
Stefano Cicciarella: Es geht nicht um einmalige Trainings auf Teststrecken, sondern um kontinuierliches Feedback – idealerweise in Echtzeit. Zum Beispiel eine Ampellogik im Fahrzeug: grünes Licht für gutes Bremsverhalten, rot für riskantes Kurvenfahren. Spielerisches, direktes Feedback wirkt nachweislich.
Julian Molitor: Kann man Fahrer auch belohnen, wenn sie sich verbessern?
Stefano Cicciarella: Absolut. Gamification und Prämienprogramme funktionieren – selbstverständlich DSGVO-konform und in Abstimmung mit dem Betriebsrat. Fahrer, die ihre KPIs verbessern, können belohnt werden.
Julian Molitor: Aus CFO-Sicht: Welche Kennzahlen sind entscheidend?
Stefano Cicciarella: CFOs wollen harte Zahlen: sinkende Versicherungsprämien, niedrigere Gesamtkosten pro Fahrzeug, reduzierte Spritkosten. Versicherer denken in Schadenquoten – CFOs in Euro. Deshalb sollten Reports beide Perspektiven abdecken.
Julian Molitor: Was sind die häufigsten Fallstricke?
Stefano Cicciarella: Viele springen vorschnell auf Telematik, ohne bestehende Daten auszuschöpfen. Besser ist ein stufenweises Vorgehen: vorhandene Daten intelligent verknüpfen, daraus lernen – und erst dann Fahrercoaching oder FNOL-Prozesse einführen. So vermeidet man überhastete Millioneninvestitionen.
Julian Molitor: Zusammengefasst heißt das: Schon kurzfristig sind 5–10 % weniger Schäden möglich, langfristig sogar bis zu 30 %.
Stefano Cicciarella: Genau. Entscheidend ist, jetzt anzufangen – mit einem Risiko-Snapshot, klaren Evidenzen und einer guten Vorbereitung auf die Vertragsverhandlungen.
Julian Molitor: Vielen Dank, Herr Cicciarella. Das war ein sehr praxisnaher Einblick – sowohl für Flottenmanager als auch für CFOs. Weitere Informationen zu SynsureTech, Novemcore und unserem gemeinsamen Programm DRIVE finden Sie in den Shownotes.