Smartes Forderungsmanagement & digitales Inkasso – in dieser Folge von Finance & Data spricht Matteo Benedetti (Debtist) über KI-gestütztes Mahnwesen, smarte Inkassoprozesse und den professionellen Umgang mit Zahlungsverzug. Im Gespräch mit Julian Molitor (Novemcore) zeigt er, wie Unternehmen durch klare Prozesse, datenbasierte Strategie und emotionale Distanz bis zu 90 % ihrer Forderungen vorgerichtlich lösen können. Mit Fokus auf Mahn-KPIs, individuelle Kundenansprache und die Transformation des Inkassomarkts.
Interview mit Matteo Benedetti, Co-Founder und Co-CEO von Debtist
Wir wollen Forderungsmanagement automatisieren – skalierbar, effizient und ohne Angst vorm Inkasso
Einleitung:
Matteo Benedetti ist Mitgründer und Co-CEO von Debtist, einem Fintech, das sich auf das digitale Erinnerungs- und Mahnwesen im Forderungsmanagement spezialisiert hat. Ziel ist es, Unternehmen jeder Größe dabei zu unterstützen, offene Rechnungen effizient, automatisiert und trotzdem kundenfreundlich zu bearbeiten – vom ersten Reminder bis zum gerichtlichen Verfahren. Im Gespräch mit Julian Molitor spricht Matteo Benedetti über smarte Mahnstrategien, künstliche Intelligenz im Inkasso und warum es höchste Zeit ist, das Mahnwesen neu zu denken.
Julian Molitor:
Matteo, lass uns direkt einsteigen: Was genau macht Debtist – und was ist deine Rolle?
Matteo Benedetti:
Danke, Julian! Ganz einfach gesagt: Wir verstehen uns als One-Stop-Shop für Forderungsmanagement – alles, was nach der Rechnungsstellung passiert, decken wir ab. Von der Zahlungserinnerung über das vorgerichtliche Mahnwesen bis hin zum gerichtlichen Inkasso. Das Ganze läuft digital, skalierbar und in einer durchdachten Customer Journey. Wir sind aktuell rund 45 Mitarbeiter, wachsen stark und bedienen vorrangig Enterprise-Kunden – aber durch unser Self-Onboarding nutzen uns auch kleinere Unternehmen, vom Handwerksbetrieb bis zum Großkunden.
Julian Molitor:
Welche Kennzahlen oder Situationen im Unternehmen sind aus deiner Sicht der Triggerpunkt, um über ein Tool wie Debtist nachzudenken?
Matteo Benedetti:
Aus unserer Sicht sind drei KPIs zentral: Erstens der DSO (Days Sales Outstanding), also die durchschnittliche Zeit bis zum Zahlungseingang. Zweitens der Anteil der Zahlungen, die vor dem Zahlungsziel eingehen – da sollten es mindestens 80 % sein. Drittens die überfälligen Forderungen: Der Anteil sollte nicht zu groß werden, insbesondere nicht über 60 Tage. Wenn diese Werteschlecht sind oder sich verschlechtern, sollte man handeln.
Julian Molitor:
Und wie sieht aus deiner Sicht ein professioneller Mahnprozess aus?
Matteo Benedetti:
Der häufigste Fehler ist: Es gibt keine klare Strategie. Viele Unternehmen reagieren ad hoc – man schickt zehn E-Mails hin und her, vergisst die Forderung dann und irgendwann landet alles auf einen Schlag beim Inkasso. Unserer Meinung nach braucht es einen standardisierten, gut getakteten Prozess, der sowohl die internen Kapazitäten als auch das Kundenerlebnis berücksichtigt. Und auch wenn Inkasso ein sensibles Thema ist: Wenn ein Kunde nicht zahlt, ist es nicht wirtschaftlich, ewig abzuwarten.
Julian Molitor:
Wie positioniert sich Debtist im Markt? Welche Module bietet ihr konkret an?
Matteo Benedetti:
Unser Produkt ist modular aufgebaut. Wir bieten Zahlungserinnerungen im White-Label – also im Look & Feel des Kunden – bis hin zum vollautomatisierten Inkasso. Unsere KI steuert die Versandzeitpunkte, das Medium (E-Mail, SMS, WhatsApp etc.) und berechnet, wann ein Anruf oder ein Wechsel des Absenders sinnvoll ist. Wir haben über 30 Touchpoints, kontaktieren Schuldner proaktiv und unterscheiden uns hier deutlich vom Markt. Im gerichtlichen Inkasso arbeiten wir mit lokalen Partnerkanzleien in jedem EU-Land – von Dänemark über Deutschland bis Irland. Alles läuft über unsere Plattform, inkl. API-, Excel- oder Drag&Drop-Übergabe.
Julian Molitor:
Wie lange dauert die Implementierung?
Matteo Benedetti:
Für kleinere Kunden: wenige Minuten. Die Registrierung ist einfach, das Setup intuitiv. Für Enterprise-Kunden dauert das Onboarding typischerweise 1–2 Monate. Wir starten oft mit einer Testphase, definieren Regeln und Übergabeprozesse und integrieren uns dann per API oder über standardisierte Exporte. Auch Dokumente wie Rechnungen, AGB oder Lieferscheine können automatisiert übermittelt werden. Unser Anspruch: minimale Aufwände für maximale Wirkung.
Julian Molitor:
Was kostet Debtist – und lohnt sich das?
Matteo Benedetti:
Die Vorgerichtlichen Kosten sind für Gläubiger extrem gering – meist faktisch null. Bei gerichtlichen Verfahren können Kosten entstehen, aber auch hier beraten wir individuell und setzen klare Schwellenwerte. Der Return-on-Investment ist fast immer positiv – unsere Kunden realisieren im Schnitt über 90 % ihrer Forderungen vorgerichtlich. Selbst große Kundenbrauchen nur sehr wenig interne Ressourcen – unsere Prozesse sind so automatisiert, dass sich der Aufwand gegen null bewegt.
Julian Molitor:
Was unterscheidet euch technologisch von klassischen Inkassoanbietern?
Matteo Benedetti:
Unsere KI. Jeder physische Bearbeiter bei uns arbeitet mit 2–3 „digitalen Agenten“ zusammen. Die KI liest Dokumente, generiert E-Mails, schlägt den nächsten Touchpoint vor – und entscheidet je nach Statistik, ob ein Call, ein Brief oder eine Nachricht sinnvoller ist. Wir haben keine starren Workflows mehr – jede Akte wird dynamisch optimiert. Und gleichzeitig: Wir geben keinen Fall auf. Auch Forderungen mit geringer Erfolgswahrscheinlichkeit werden von uns weiterverfolgt.
Julian Molitor:
Datenschutz ist gerade in Deutschland ein sensibles Thema. Wie geht ihr damit um?
Matteo Benedetti:
Zu Recht! Wir haben einen internen Datenschutzbeauftragten, hosten alle Daten in der EU und erfüllen alle regulatorischen Anforderungen – vom DSGVO-Standard bis zu den Sicherheitsauflagen großer Konzerne. Unsere größten Kunden prüfen uns durch Due-Diligence-Prozesse auf Herz und Nieren – vom Serverstandort bis zur Büroabsicherung.
Julian Molitor:
Wie viele Unternehmen, schätzt du, haben noch massives Potenzial im Forderungsmanagement?
Matteo Benedetti:
Ich würde sagen: mindestens 50 %. Viele Unternehmen behandeln das Thema Mahnwesen stiefmütterlich. Ob intern mit manuellen Prozessen oder extern ohne klare Strategie – hier lässt sich fast überall noch deutlich effizienter und kundenfreundlicher arbeiten. Ein 2x bis 4x auf die Erfolgsquote ist in vielen Fällen realistisch.
Julian Molitor:
Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Matteo. Wer mehr erfahren will kann uns von Novemcore und natürlich Debtist gerne ansprechen.