In dieser Folge von Finance & Data spricht Julian Molitor – Gründer von Novemcore – mit Britta Zinn, Director Finance & Controlling der Huliot Group (HPG Plastics), über die CFO-Roadmap im Mittelstand: internationale Reporting-Standards, digitale Kernsysteme und die Frage, wie man Transformation im laufenden Betrieb pragmatisch und wirksam umsetzt.
Britta Zinn ist Director Finance & Controlling bei der Huliot Group Deutschland und verantwortet dort die finanzielle Steuerung sowie die Transformation der HPG Plastics – einem traditionsreichen mittelständischen Unternehmen, das aktuell den Sprung in internationale Strukturen und digitale Prozesse vollzieht. Nach über zwölf Jahren in Führungspositionen bei Vodafone, weiteren Stationen bei Net Düsseldorf und OneKey, bringt sie heute Konzern-Expertise in den Mittelstand ein. Im Gespräch mit Julian Molitor, Gründer von Novemcore, spricht sie über Change Management im Mittelstand, den Weg zu IFRS-Standards, den Aufbau digitaler Strukturen – und warum Transformation vor allem eine Frage des richtigen Timings und der Kommunikation ist.
Julian Molitor: Frau Zinn, Sie haben viele Jahre im Konzern gearbeitet – unter anderem bei Vodafone. Heute verantworten Sie Finanzen und Controlling in einem mittelständischen Industrieunternehmen. Was hat Sie an diesem Schritt in den Mittelstand gereizt?
Britta Zinn: Nach über zwölf Jahren Konzernwelt war es Zeit für Veränderung. Je höher die Hierarchieebene, desto mehr dreht man sich in Meetings und politischen Schleifen. Ich wollte wieder Entscheidungen treffen, die Wirkung zeigen. Im Mittelstand kann man gestalten, Dinge bewegen – und genau das hat mich gereizt. Bei der Huliot Group finde ich das Beste aus beiden Welten: internationale Standards und Strukturen auf der einen Seite, die bodenständige Mentalität und Nähe zum Produkt auf der anderen.
Julian Molitor: Sie bringen also Konzernstrukturen in ein mittelständisches Umfeld – das klingt nach einem kulturellen Spagat. Wie gelingt das in der Praxis?
Britta Zinn: Es ist tatsächlich ein Spannungsfeld. Wir haben ein sehr eingespieltes Team mit langjähriger Betriebszugehörigkeit und einem Altersdurchschnitt von fast 60 Jahren. Gleichzeitig gibt es klare Anforderungen aus der internationalen Konzernstruktur – englischsprachige Meetings, Reporting-Deadlines, IFRS-Standards. Das war für viele eine große Umstellung. Wichtig ist dabei Kommunikation: erklären, übersetzen, mitnehmen. Ich versuche, die Balance zu halten zwischen den Anforderungen von oben und der Realität vor Ort.
Julian Molitor: Parallel treiben Sie die Digitalisierung im Unternehmen voran – von papierlosen Prozessen bis zum ERP-Wechsel. Wie sieht dieser Transformationsprozess konkret aus?
Britta Zinn: Wir haben mit der Modernisierung des ERP-Systems begonnen, das seit über zehn Jahren nicht mehr aktualisiert wurde. Mein Ziel ist klar: weg von übermäßigem Customizing, hin zu einem standardisierten, wartungsfähigen System. Ich sage immer: Lieber ein „Golf“, der sicher läuft, als eine „S-Klasse“ mit durchgerostetem Unterboden. Unser Fokus liegt auf Stabilität, Updatefähigkeit und Transparenz. Gleichzeitig führen wir ein Dokumentenmanagementsystem und E-Invoicing ein, um künftig vollständig digital prüfen zu können.
Julian Molitor: Das erfordert sicher viel Change – insbesondere mit Blick auf Führung und Zusammenarbeit. Wie gehen Sie das im Team an?
Britta Zinn: Mit Geduld und offener Kommunikation. Mein Team ist eine Mischung aus erfahrenen Kräften und neuen Kollegen, die Digitalprojekte leiten. Wichtig ist: Niemand muss alles können, aber jeder muss bereit sein, zu lernen und Hilfe anzunehmen. Wir arbeiten eng mit der Konzern-IT und lokalen Dienstleistern zusammen. Unterstützung zuzulassen, statt alles allein stemmen zu wollen – das war einer unserer größten Quick Wins. Dadurch sind wir als Team gewachsen.
Julian Molitor: Sie haben auch erwähnt, dass Sie IFRS-Standards und internationale Reporting-Strukturen einführen. Was waren dort die größten Herausforderungen?
Britta Zinn: Vor allem die Umstellung im Denken. IFRS klingt nach großer Theorie, ist aber letztlich machbar, wenn man systematisch vorgeht. Wir haben zum Beispiel alle Leasingverträge händisch überprüft, bewertet und mit einem externen Experten aufbereitet. Die Herausforderung liegt weniger im Fachlichen, sondern in der Geschwindigkeit und im Prozessverständnis. Unser Ziel ist, Short Closes künftig routiniert und digital gestützt zu schaffen.
Julian Molitor: Neben Finanzen und Systemen spielt Nachhaltigkeit für viele Unternehmen eine wachsende Rolle. Wie positionieren Sie sich beim Thema ESG?
Britta Zinn: Nachhaltigkeit ist für uns selbstverständlich, auch wenn der regulatorische Druck noch nicht voll greift. Wir haben unsere Fahrzeugflotte auf Hybridmodelle umgestellt, den Standort mit Ladesäulen ausgestattet und prüfen gerade den Aufbau einer Photovoltaikanlage. Wir recyceln Produktionsausschuss und arbeiten eng mit Partnern im Bereich Materialrückführung zusammen. Für mich gilt: Vorbereitung ist alles – ESG ist keine Pflichtübung, sondern ein Zukunftsthema.
Julian MolitorWenn Sie auf Ihre Erfahrungen blicken: Welche Ratschläge würden Sie CFOs im Mittelstand geben, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?
Britta Zinn: Zwei Dinge. Erstens: Digitalisierung ist kein Projekt, das man „irgendwann“ angeht. Gerade in ruhigeren Phasen muss man investieren, Systeme modernisieren und Prozesse auf Stand bringen. Wenn der Markt wieder anzieht, ist keine Zeit mehr dafür. Zweitens: Veränderung gelingt nur mit Menschen. Man muss erklären, warum man etwas verändert, und die Mitarbeiter ernst nehmen. Wer den Sinn versteht, trägt den Wandel mit – und genau das ist entscheidend für den Erfolg.
Julian Molitor: Das fasst es sehr schön zusammen. Frau Zinn, vielen Dank für das offene und inspirierende Gespräch – und die konkreten Einblicke in Ihre Transformationsarbeit bei der Huliot Group.
Britta Zinn: Vielen Dank, hat mir sehr viel Spaß gemacht – und ich freue mich, wenn andere Unternehmen vielleicht Mut fassen, ähnliche Schritte zu gehen.



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